Langfassung
Die ostasiatischen Kampfkünste haben seit vielen Jahren eine große Anziehungskraft in der westlichen Gesellschaft erfahren. Diese Anziehungskraft hat zahlreiche Gründe. Zu den Hauptgründen zählen das Erlernen von traditionellen Techniken, welche erlauben sich in echten Notwehrsituation effektiv und souverän zu verteidigen sowie die Steigerung der körperlichen Gesundheit, des Körpergefühls und der Konzentration. Die chinesische Kampfkunst Ving Tsun Kung-Fu ist mit Sicherheit eine der faszinierendsten Kampfkünste mit einer langen Tradition, welche sich bis zu einem alten Shaolin-Kloster der letzten Jahrhunderte zurückverfolgen lässt. Das Erlernen und Unterrichten dieser atemberaubenden Kampfkunst habe ich seit über 30 Jahren zu meiner Lebensaufgabe gemacht. Über die vielen Jahre habe ich das Ving Tsun bei unterschiedlichen anerkannten Meistern erlernt, wobei ich drei verschiedene Ving Tsun-Stile bis zu den entsprechenden Meistergraden abgeschlossen habe. Heute verfüge ich endlich über ein breites Wissen zu dieser Kampfkunst, welches mich als einen anerkannten Meister des Ving Tsun kennzeichnet. Meine Kampfkunst-Erfahrungen habe ich schließlich in meinem eigenen Zaccaria Ving Tsun Kung-Fu Stil zusammengefasst und gebe diesen in meiner Kampfkunstschule in Sindelfingen an meine Schülerinnen und Schüler weiter. Auf dieser Seite ist meine Kampfkunstbiografie zusammengefasst. Zudem möchte ich in meiner Biografie an einigen Stellen auf die Besonderheiten des Zaccaria Ving Tsun eingehen und erläutern, warum das Zaccaria Ving Tsun für dich die ideale Kampfkunst sein wird.
Einstieg – Erste Erfahrungen mit der chinesischen Kampfkunst
Im Mai 1994 begann ich mit dem Leung Ting Wing Tsun-System, welches den weltweit am weitesten verbreiteten Stil dieser Kampfkunst darstellt. 10 Jahre nach meinem Einstieg, d. h. mit dem dritten Technikergrad, hatte ich meine körperlichen Fähigkeiten zwar deutlichen ausbauen können, allerdings sind mit dem Mehrwissen über die Jahre auch immer mehr Fragen aufgekommen. Ein Problem, welches ich trotz intensiven Trainings hatte war, dass ich damals nicht in der Lage war viele der erlernten Techniken praktisch und insbesondere unter hohem Druck sicher oder überhaupt umzusetzen. Darüber hinaus war ich zunehmend davon gestört, dass ich zur Lösung von einigen Problemstellungen im Zweikampf noch nicht über geeignete Techniken verfügte. Als ich meinen damaligen Sifu, dem zu der Zeit höchsten Meister des Leung Ting Wing Tsun in Europa, auf die bestehenden Probleme ansprach, antwortete er, dass ich noch mehr trainieren müsste, um die bestehenden Probleme eigenständig zu beheben. Erwähnenswert ist an dieser Stelle, dass ich zu diesem Zeitpunkt bereits 5 Tage in der Woche etwa 2 – 3 Stunde trainierte und kaum mehr Zeit, Energie und Geld für das Studium der Kampfkunst investieren konnte. Ich spürte, dass ich den bisher beschrittenen Weg zum Erlernen der Kampfkunst verlassen musste, um tiefer in das System einzusteigen.
Weiterbildung – Ausbildung bis zum Meistergrad im gleichen Stil
Die Suche nach einer alternativen Weiterbildung im Leung Ting Wing Tsun-Stil führte mich zu einem jungen, damals noch in den Niederlanden ansässigen italienischen Meister, der direkt von Leung Ting in Hongkong ausgebildet wurde und schlagartig als ein echter alternativer Lehrer zu dem vorherigen genannten Meister in Europa auftrat. Unglücklicherweise gab es kaum die Möglichkeit, bei dem Meister persönlich zu trainieren. Stattdessen trainierte ich mit mehreren Trainingspartnern bei einem etwa 250 km von meinem Wohnort entfernten Vertreter des Meisters, bei dem ich an einigen Wochenenden im privaten Unterricht lernte. Da ich mit dieser Gesamtsituation unzufrieden war, wechselte ich zu einem dritten Meister des Leung Ting Systems, bei dem ich das gesamte System bis zum Meistergrad bzw. 5. Praktikergrad absolvierte. Obwohl ich mit dem 5. Praktikergrad bereits einen hohen Meistergrad erlangt hatte, habe ich die bestehenden technischen Probleme (z. B. Probleme mit der Balance, Probleme mit dem Gefühl für Distanzen usw.) nicht vollständig lösen können. Es lässt sich zusammenfassen, dass ich trotz der Ernennung zum Meister damals nicht selbstbewusst sagen konnte, mit dem bestehenden Können zufrieden gewesen zu sein. Gleichzeitig war ich davon überzeugt, dass es auf meine bisher noch nicht beantworteten Fragen und die bestehenden genannten Probleme doch entsprechende Antworten geben müsste. Ich gab nicht auf, und recherchierte weiter nach entsprechenden Lösungen.
Einstieg in einen anderen Stil – Ausbildung zum Meister in der Wong Shun Leung-Linie (WSL)
Die Meisterausbildung im Wing Tsun hatte ich zwar erfolgreich abgeschlossen, allerdings war ich weiterhin mit meinen kämpferischen Fähigkeiten unzufrieden. Das Schicksal führte mich schließlich und glücklicherweise zum Ving Tsun der Wong Shun Leung-Linie (WSL). Zufällig traf ich einen Trainingspartner, der mir von diesem WSL-System erzählte. Nach einem intensiveren technischen Austausch wechselte ich kurzerhand zum WSL-System. Es ist zu erwähnen, dass dieses für mich damals noch neue WSL-System und das von mir noch zuvor trainierte Leung Ting-System zwar den gleichen Namen tragen, allerdings nicht nur die Schreibweisen, sondern auch die Ideen und Kampfstrategien sich sehr stark voneinander unterscheiden. Diese Unterschiede sind für Außenstehende kaum sichtbar, können jedoch im Zweikampf zwischen Gewinnen und Verlieren entscheiden. Die Unterschiede zwischen den beiden Systemen waren für mich nicht nur kämpferisch, sondern auch für das gesamte Verständnis des Ving Tsun und meine weitere Kampfkunst-Karriere eine wichtige Erkenntnis. Anders als ich es bisher vermutet hatte, gibt es von der Lehre des verstorbenen Großmeisters Ip Man (einem ursprünglichen Großmeister des Ving Tsun, auf dessen Lehre sich heute viele Kampfkunstlehrer berufen), unterschiedliche und nicht nur eine einzige Interpretation. Die Gründe für diese verschiedenen Interpretationen des Ving Tsun sind vielfältig und lassen sich kaum in wenigen Worten zusammenfassen. Im Unterricht gehe ich gerne auf solche Fragen ein. Die Interpretation des Ving Tsun der WSL-Linie gilt im Allgemeinen als kampforientiert und –erprobt. Die Vorteile dieses Systems bemerkte ich schnell, sodass ich den Drang verspürte, mein Wissen nicht nur in der Theorie, sondern auch in der Praxis zu testen. Folglich traf ich mich mit unterschiedlichen hochrangigen Kampfkünstlern aus anderen Ving Tsun-System-Linien. Beim Training mit den anderen Kampfkünstlern bemerkte ich schnell, wie sicher und kraftvoll ich das WSL-System umsetzen konnte. Dank der Interpretation des Ving Tsun nach Wong Shun Leung wurden sehr viele meiner noch nicht beantworteten Fragen systematisch beantwortet und die vorherigen technischen Probleme konnte ich weitestgehend beheben. Das WSL-System trainierte ich schließlich von der Siu Nim Tao bis zur Baat Cham Dao und Meisterklasse. Die Beendigung der Ausbildung bis zum Meistertitel in einem System der WSL-Linie weckte in mir ein großes Selbstbewusstsein und das Interesse an dieser faszinierenden Kampfkunst stieg bis in das Unermessliche.
Bis zu den Wurzeln der Kampfkunst – Erfahrungen mit Ving Tsun in Hongkong
Ein für die Anhänger der Kampfkunst wichtiger Ort ist die Stadt Hongkong, denn hier wurden zahlreiche Meister des Ving Tsun von Großmeistern, wie z. B. Ip Man und Wong Shun Leung, ausgebildet. Zudem leben hier zahlreiche Kampfkünstler, welche Menschen aus aller Welt in der Kampfkunst ausbilden. Die verschiedenen Meister unterrichten in der Regel auch unterschiedliche Interpretation dieser Kampfkunst. Kurzum ist ein Besuch dieser Stadt, wenn auch nur für wenige Wochen, für Menschen mit einer großen Leidenschaft für die Kampfkunst sehr zu empfehlen.
Im Jahr 2016 flog ich das erste Mal nach Hongkong. Im Rahmen dieser Reise wollte ich einerseits erfahren, ob ich mich im Ving Tsun auf dem richtigen Weg befand bzw. ob es für mich noch mehr zu lernen gab, und andererseits hatte ich hier die Möglichkeit direkt an der Quelle mehr über die Herkunft, die Geschichte und die Legenden des Ving Tsun zu erfahren. Zur Kampfkunst gehört nicht nur die reine Selbstverteidigung, sondern auch eine gewisse Esoterik und Mystik. In Hongkong hatte ich nun die Möglichkeit, mich mit vielen verschiedenen Meistern der Kampfkunst auszutauschen. Beim Austausch mit ihnen bemerkte ich, dass ich mich mit der erlernten Interpretation des Ving Tsun auf dem richtigen Pfad bewegte. Der Aufenthalt in Hongkong war eine wunderbare Zeit. In den unteren Bildern sind einige der Meister abgebildet, mit denen ich mich in Hongkong austauschen und auch von ihnen lernen durfte. Darunter sind bekannte Meister wie John Wong (der leibliche Sohn von Wong Shun Leung), Yip Chun (der leibliche Sohn von Ip Man), Sunny So aus der Tang Yik Linie und Chan Kim Man (ein langjähriger Schüler von Wong Shun Leung).
Zusammengefasst hatte ich nun den Meistergrad in zwei unterschiedlichen Ving Tsun-Stilen erlangt und mein Können und Wissen sowohl in Europa mit unterschiedlichen Kampfkünstlern, als auch in Hongkong durch den Austausch mit verschiedenen hochkarätigen Meistern verifiziert. Man könnte denken, dass ich nach meiner Reise nach Hongkong bereits am Ende meiner Studien angelangt war. Aufgrund eines kaum zu beschreibenden Gefühls, welches mir sagte, dass es doch noch mehr über Ving Tsun zu lernen gäbe, konnte ich meine Recherchen über die Kampfkunst allerdings noch nicht beenden.
Endlich angekommen – Meisterausbildung in der Gary Lam – Linie
Das Gefühl, noch nicht alle Einzelheiten dieser für mich immer faszinierender werdenden Kampfkunst Ving Tsun erfahren zu haben, führte dazu, dass ich mich noch weiter über die Interpretation der Kampfkunst durch andere Ving Tsun-Meister erkundigte. Ein wichtiger Punkt, der mich an meinem damaligen Können noch störte, war eine relativ geringe Flexibilität bei der Anwendung des Ving Tsun. Geringe Flexibilität bedeutet in diesem Zusammenhang, dass ich zwar ein gewisses Repertoire an sehr effektiven Techniken zur Verfügung hatte, allerdings war dieses technische Repertoire nicht ausreichend genug, sodass andere Meister, welche die gleiche oder ähnliche Ausbildung wie ich genossen hatten, schnell vorhersehen konnten, welche Techniken (z. B. beim Chi Sau oder im Freikampf) ich als Nächstes anwenden würde. Vergleichbar wäre dies vielleicht mit einem Schachspiel, bei dem der Gegner die nächsten Züge bereits kennt, bevor diese Züge von mir getätigt werden. Ähnlich wie beim Schachspiel wird der Wissensvorsprung des Gegners dazu führen, dass ein erfahrenerer Gegner gegebenenfalls einen Vorteil haben könnte, denn wenn die nächsten Züge bereits bekannt sind, kann der Gegner dank seines Wissensvorsprungs in der Zweikampfsituation bereits über entsprechende Gegenstrategien nachdenken. Zusammengefasst sehnte mich nach einer größeren Flexibilität bei der Anwendung von Techniken sowohl beim Training, als auch im freien Kampf. Ich möchte an dieser Stelle nochmals klarstellen, dass das bis hierhin von mir erlernte Ving Tsun sehr effektiv und stark war. Es war der eigene Antrieb und das Streben nach Perfektion, welche mich dazu drängten noch intensiver in das System einzusteigen. Zur reinen Selbstverteidigung gab es für mich nicht die Notwendigkeit einer zusätzlichen Weiterbildung.
Nach intensiven Recherchen erfuhr ich mehr über das Gary Lam Ving Tsun-System und mein Interesse an diesem stieg. Die Besonderheit an Gary Lams Ving Tsun beruht darauf, dass sich dieses System an der traditionellen asiatischen Fünf-Elemente-Lehre (Feuer, Holz, Wasser, Erde und Metall) orientiert und technisch entsprechend gegliedert wird. Natürlich kann ich mich beim Training nicht physikalisch in Feuer oder Holz verwandeln, aber die Lehre und Vorstellung über die Elemente hilft dabei, das Ving Tsun zu verbessern. Ein besonderer Vorteil beruht darin, dass durch das Verständnis der Elemente eine sehr hohe Flexibilität bei der Anwendung von Techniken verliehen wird. Beispielsweise kann ich Techniken mit dem Element Feuer ausführen und in kurzer Zeit sofort auf das Element Holz wechseln. Durch den Wechsel der Elemente im Training (z. B. im Chi-Sao) oder im Freikampf und der damit wachsenden Flexibilität können die nächsten technischen Züge für einen Kontrahenten nur sehr schwer vorhergesehen werden. Zudem gibt das Gary Lam-System, auch ohne die Elemente, ein breites Repertoire an technischen Anwendungen, sodass die Möglichkeiten zur Vorhersage von Folgetechniken durch einen Kontrahenten unwahrscheinlicher werden. Ich entschied mich für die Ausbildung in einem dritten Ving Tsun System bzw. der Fünf-Elemente-Lehre von Gary Lam und kontaktiere einen angesehenen Meister aus dieser Linie in Griechenland, der mich in Athen als Schüler aufnahm. In nur wenigen Wochen lernte ich die ersten beiden Level des Gary Lam-Systems (das Gary Lam-System besteht aus insgesamt vier unterschiedlichen Levels). Hier bestätigte sich für mich, dass das Ving Tsun eine Kampfkunst ist, die kreiert wurde, um in kürzester Zeit kampffähig zu sein. Auch an meine Schüler gebe ich das Ving Tsun in kürzester Zeit weiter. Die Geschwindigkeit der Ausbildung wird dabei durch die Schülerinnen und Schüler vorgegeben.
Begeistert von den Erfahrungen mit den ersten beiden Levels des Gary Lam-Systems setzte ich mir das Ziel, das dritte Level bei dem Großmeister Gary Lam in den USA persönlich zu absolvieren und buchte kurzerhand einen Flug nach Los Angeles. Während meiner Ausbildung bei Gary Lam wohnte ich bei ihm zu Hause und trainierte in seiner Schule. Das tägliche Training in der Schule des Großmeisters gestaltete sich wie in einem Ving Tsun Kloster, wobei über drei Monate von morgens bis abends hart trainiert wurde. Dabei kam ich nicht nur in den Genuss von dem Großmeister Gary Lam persönlich zu lernen, sondern ich dufte auch viel wertvolle Zeit mit meinen Kung-Fu Brüdern und Schwestern verbringen. Nicht nur der Meister persönlich, sondern auch einige seiner Schülerinnen und Schüler, sind inzwischen selbst Meister und Meisterinnen des Ving Tsun geworden. Sie verfügen über einen unermesslichen Schatz an Wissen, welches sie sehr gerne und mit viel Freude mit mir teilten. Für die Offenheit und das Vertrauen bin ich Großmeister Gary Lam und meinen Kung-Fu-Brüdern und Kung-Fu-Schwestern in Los Angeles zutiefst dankbar.
Kurzgefasst war die Zeit in Los Angeles, für mich sehr prägend. Mein Fleiß und die harte Arbeit wurden im Januar 2022 mit dem Überreichen des Level-Drei-Coach-Zertifikats durch Großmeister Gary Lam gekrönt. Seitdem bin ich von Gary Lam persönlich dazu befugt, das Gary Lam System bis zum Meister-Level 3 an meine Schülerinnen und Schüler weiterzugeben.
Nach weiteren mehrwöchigen Trainingsaufenthalten in Los Angeles und dem regelmäßigen Training in Deutschland wurde mein Streben nach Entwicklung und Erweiterung meines Wissens schließlich im März 2024 mit der höchsten Graduierung im Gary Lam Wing Chun System, dem Level-Vier-Meister-Zertifikat, belohnt. Dieses Zertifikat haben bis heute weltweit weniger als zehn Personen erhalten.
Zusammengefasst kann ich heute auf eine sehr bewegende und lehrreiche Kampfkunst-Vergangenheit zurückblicken. Der Weg zum Zaccaria Ving Tsun, wie ich es heute unterrichte, war sehr schön, aber nicht immer einfach. Trotzdem hat meine Leidenschaft für die Kampfkunst von Jahr zu Jahr zugenommen. So wie die Kampfkunst untrennbar zu einem Teil von mir geworden ist, möchte ich nun auch meine Schülerinnen und Schüler dabei unterstützen, das Ving Tsun zu meistern. Ich freue mich darauf, euch als Schülerinnen und Schüler in meiner Kampfkunstschule begrüßen zu dürfen.
…to be continued…
Sifu Enzo Zaccaria